BERLIN - Die außerordentlich schwierige Menschenrechtslage in Eritrea veranlasst viele Menschen, ihr Land zu verlassen. Viele entziehen sich dem Militärdienst, der für alle Männer und Frauen zwischen 18 und 40 Jahren obligatorisch und zeitlich nicht befristet ist. Wer sich der Einberufung entzieht, dem drohen Folter und Haft auf unbestimmte Zeit oftmals ohne Kontakt zur Außenwelt an nicht bekannten Orten ohne Anklage oder Verfahren. Viele dieser Flüchtlinge bleiben auf ihrer Flucht in Transitländern hängen, in denen sie nicht selten inhaftiert und misshandelt werden.
Die Wenigen, die es nach Deutschland schaffen, müssen selbst da unter Umständen ihre Abschiebung befürchten. So wurden am 14.5.2008 zwei eritreische Deserteure nach einem Schnellverfahren am Frankfurter Flughafen nach Asmara abgeschoben und dort nach Angaben von Verwandten umgehend inhaftiert. Sie waren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wegen „mangelnder Glaubwürdigkeit“ abgelehnt worden. Das Verwaltungsgericht Frankfurt sah keinen Handlungsbedarf, da Verfolgungsgefahr „offensichtlich“ nicht gegeben sei. Diese fatale Fehleinschätzung hat nun dazu geführt, dass beide Eritreer in Foltergefängnissen des eritreischen Regimes verschwunden sind, so PRO ASYL in einer Pressemitteilung. Der ebenfalls am Frankfurter Flughafen abgelehnte 33-jährige Asylbewerber Mohamed Abdelrahman Ferah kann bis zur endgültigen Entscheidung über sein Verfahren den Transitbereich des Frankfurter Flughafens verlassen und in Deutschland bleiben. Amnesty international hatte am 4. Juli eine URGENT ACTION wegen drohender Abschiebung und drohender Folter initiiert. Daraufhin hat das Bundesamt am 23. Juli seine Entscheidung, Mohamed Abdelrahman Ferah nach Eritrea abzuschieben, aufgehoben.
Nach Angaben von Amnesty international sind im Juni 2008 mindestens 810 von 1.600 in Ägypten inhaftierten Eritreern aus Ägypten abgeschoben worden. Bereits im Februar konnte ein Brief von einem eritreischen Flüchtling aus einem ägyptischen Gefängnis geschmuggelt werden. Einmal mehr macht dieser Brief deutlich, in welch aussichtsloser und menschenverachtender Lage sich Flüchtlinge in Transitländern befinden. Derweil perfektioniert Europa seinen Schutzwall und beauftragt Transitstaaten wie Libyen oder Marokko mit der Abwehr von Flüchtlingen.
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wir die oben erwähnten Flüchtlinge wollen gerne über unsere Situation und über das Leiden, dem wir in den Zellen der Polizeistation ….. ausgesetzt sind, berichten. Wir flohen aus unserem Land, um der rauen Behandlung durch unsere eigene Regierung zu entgehen. Wir reisten durch den Sudan und kamen ohne legale Papiere nach Ägypten. Wir taten dies, um unser Leben zu retten. Nachdem wir die Grenze überschritten hatten, wurden wir von ägyptischen Grenzsoldaten gefangen genommen, die uns zur Polizeistation in ..… brachten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Leiden, dem wir in diesen Polizeizellen ausgeliefert sind, kann folgendermaßen beschrieben werden:
1. Als wir verhaftet wurden, wurden wir vor Militärgerichten angeklagt. Sie sprachen mit uns lediglich auf Arabisch, was wir jedoch nicht verstehen. Wir hatten keinerlei Hinweis, über was sie sprachen und wir hatten weder eine anwaltliche Vertretung noch einen Übersetzer. Wir wussten nicht wegen was wir angeklagt waren, noch welches Urteil gegen uns gefällt wurde. Sie gaben uns keinerlei rechtliche Unterlagen über die Entscheidung des Gerichtes. Wir wurden einfach wieder in die Polizeizellen zurückgeführt, wo uns die Wächter darüber informierten, dass wir Gefangene seien, aber dass auch sie nicht wüssten, wie lange wir im Gefängnis bleiben sollten. Wir sind nun Gefangene wegen eines nicht ersichtlichen Verbrechens. Unser einziges Vergehen war, nach Ägypten gegangen zu sein, um unser Leben vor der Unterdrückung Eritreas zu retten.
2. Wir werden in engen Zellen voller Gefangener festgehalten. Wir werden zusammen mit ägyptischen Kriminellen, die wegen Mordes, Raub, Drogenhandel oder anderer krimineller Delikte angeklagt worden sind, festgehalten. Die meisten ägyptischen Häftlinge konsumieren Drogen in den Zellen. Der Qualm der Drogen, die sie rauchen füllt die Zellen und verursacht ernsthafte Kopfschmerzen, manchmal Schwindelanfälle. Wenn die Insassen dann auf Droge sind, beginnen sie andere zu schlagen und sie benutzen Rasierklingen und Nadeln, um sich selbst und andere zu verletzen. Oft sind unsere Körper und Kleidung blutverschmiert. Es ist Furcht erregend in diesen Zellen. Wir können nachts nicht schlafen. Manche unserer eritreischen Landsleute sind noch minderjährig, aber auch sie müssen in dieser Situation ausharren. Das verursacht großen moralischen und psychologischen Schaden. Wir haben versucht, uns bei der Polizei zu beklagen, doch niemand kümmert sich darum.
3. Die meisten von uns sind Christen, wohingegen die ägyptischen Insassen Muslime sind. Wenn sie beten, wollen sie, dass wir mit ihnen beten. Wenn wir uns weigern, nennen sie uns Ungläubige und verhöhnen uns, dass wir den Tod verdienten. Wenn wir aber beten wollen, machen sie sich über uns lustig oder bedrohen uns manchmal mit grässlichen Folgen, sollten wir es wagen zu beten.
4. Manche von uns werden schon seit mehr als 6 Monaten festgehalten. Die einzigen Besuche hatten wir von religiösen Institutionen. Aber selbst die Besuchszeit, die ihnen erlaubt wird, ist begrenzt. Wir sind so zahlreich, dass sie in der kurzen Zeit, die ihnen zur Verfügung steht, nicht alle besuchen können. Sie wären bereit, uns Essen und Medikamente zu geben, aber oft wird es ihnen nicht erlaubt.
5. Als wir an der Grenze festgenommen wurden, waren auch einige Frauen und Kinder bei uns. Manche sind unsere Ehefrauen, Schwestern und Kinder. Sie blieben einige Tage lang mit uns im gleichen Gefängnis. Dann schafften die Behörden sie fort. Das ist nun weit über 3 Monate her und wir wissen weder wo sie sind, noch wie es ihnen geht.
6. Wegen der Überfüllung und der gesundheitsschädigenden Umgebung in den Zellen sind wir Infektionen und Krankheiten ausgesetzt. Trotzdem gibt es keine medizinische Versorgung. Daher ist eine der weiblichen Flüchtlinge namens ….. vor drei Wochen verstorben. Ihr Leichnam ist immer noch nicht unter der Erde, da niemand ihn angefordert hat. Während wir vor drei Tagen dabei waren, diesen Brief zu schreiben, ist einer unserer Kameraden ernsthaft erkrankt. Wir flehten die Wachen an, etwas zu tun, aber sie nahmen unser Bitten nicht zur Kenntnis. Heute Morgen war seine Lage so ernst, dass wir zu schreien begannen und gegen die Zellentüren schlugen, um die Aufmerksamkeit der Wachen zu erregen. Nach mehreren Stunden Schreien, kamen sie herein und schleppten ihn weg. Wir hoffen, dass er in ärztliche Behandlung gegeben wurde.
Wenn diese Situation noch länger anhält ist es unwahrscheinlich, dass wir lebend aus diesem Gefängnis heraus kommen werden. Und sicherlich, wenn jemand genug Glück hat, diesen Leidensweg physisch durchzustehen, so wird er dennoch psychisch für den Rest seines Lebens unter dem Geschehenen leiden.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir appellieren an Sie, kommen Sie, um sich unsere Situation anzusehen, untersuchen Sie sie sorgfältig und unternehmen Sie die nötigen Maßnahmen.
Wenn Sie weitere Informationen wünschen, dann können Sie Kontakt aufnehmen mit .….“
(Namen von Personen und Orten aus Sicherheitsgründen weggelassen).